Sehen und Wahrnehmen
- sind nicht das Gleiche
- Sehen erfordert, dass Licht von einem Gegenstand ins Auge reflektiert wird.
- Wahrnehmen erfordert, dass das Abbild auf der Netzhaut vom Gehirn stufenweise erkannt und gedeutet und bewusst wird.
- Wenn zwei Menschen das gleiche Bild sehen, kann dessen Wahrnehmung sehr unterschiedlich sein.
Alltagskonzepte Sehen
Die Evolution hat mit dem Auge über Jahrmillionen ein Instrument geschaffen, mit dem höhere Lebensformen, Licht, das an Gegenständen in ihrer Umgebung reflektiert wird, sehen können. Aber nur weil das gleiche Licht auf die Retina von zwei Menschen trifft, heißt das noch nicht, dass beide auch das gleiche wahrnehmen.
Denn Sehen und Wahrnehmen sind nicht das Gleiche. Licht wird im Auge in Nervensignale umgewandelt. Dort beginnt auch bereits die Interpretation dieser Nervensignale; Farben werden erkannt oder Unterschiede zwischen Hell und Dunkel. Erst in nachgeschalteten Arealen des Gehirns erhalten die Signale eine Bedeutung und entsteht eine Wahrnehmung.
Viele Philosophen haben sich mit diesem Phänomen beschäftigt und verschiedene Theorien dazu aufgestellt. Demokrit etwa glaubte, dass wir etwas wahrnehmen, weil sich von den Objekten, auf die wir unseren Blick richten, Abbilder lösen. Diese fliegen durch die Luft und treffen durch unsere Augen auf die Seele.
Platon dagegen meinte, das Auge würde arbeiten wie eine Art Scanner, der die Umgebung mit einem „Lichtstrahl“ abtastet.
Aristoteles erkannte, dass alleine das Sehen noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, sondern erst der Anfang einer Erkenntnis ist.
Warum aber ist Sehen so ein subjektiv beeinflussbarer Prozess? Das liegt wohl daran, dass beim Sehen individuelle Erfahrungen eine so starke Rolle spielen. Beispielsweise wird ein Automechaniker ein herumliegendes Motorlager sofort als solches erkennen, während ein Bibliothekar nur ein Stück Metall sieht, dessen Form ihm beliebig scheint. Die Assoziationen, die man mit dem Gesehenen verbindet, tragen also zur Wahrnehmung bei.
Außerdem können chemische oder strukturelle Unterschiede (z.B. die Vernetzung von Regionen) in verschiedenen Teilen des Gehirns ebenfalls zu unterschiedlicher Wahrnehmung führen. Dies zeigen Berichte von Konsumenten bewusstseinserweiternder und halluzinogener Drogen wie LSD. Dieser Stoff soll beim Konsumenten Wahrnehmungen auslösen, die nicht auf den tatsächlich vorhandenen Lichtinformationen beruhen, sondern die ausschließlich in seinem Kopf entstehen.